Innere Uhr
©Siegfried Zademack




An einem schönen Sommernachmittag setzte sich eine junge Frau neben einen Mann auf die Parkbank, die am Rande des Kinderspielplatzes stand.
"Der Kleine im roten Pullover dort auf der Rutschbahn ist mein Sohn", erklärte sie ihrem Nachbarn.
"Wirklich ein netter Bursche", sagte der Mann. "Mein Sohn ist der im blauen Anorak dort auf der Schaukel."
Und während er das sagte, schaute er auf seine Uhr und rief zu seinem Sohn hinüber: "Stefan, wir sollten nach Hause gehen."
"Nur noch fünf Minuten! Bitte Papa, noch fünf Minuten", bettelte Stefan. Der Vater nickte zustimmend, und sein Sohn gab der Schaukel neuen Schwung.
Der Vater machte es sich noch einmal bequem, genoß ein paar Minuten lang den Sonnenschein auf seinem Gesicht und schaute den spielenden Kindern zu. Doch dann rief er: "Stefan, komm, wir gehen jetzt!"
"Ach, Papa, noch fünf Minuten.Bitte, nur noch fünf Minuten!"
Der Vater lächelte und rief: "Also gut, meinetwegen!"
"Sie sind aber wirklich ein sehr großzügiger Vater", sagte die junge Frau.
"So großzügig bin ich gar nicht zu ihm. Es ist schon eher meinetwegen", erwiderte der Mann. "Wissen Sie, vor einem Jahr verunglückte mein ältester Sohn Florian tödlich, als er hier in der Nähe auf seinem Fahrrädchen von einem betrunkenen Autofahrer überfahren wurde. Ich hatte wegen meiner Arbeit nie viel Zeit mit Florian verbracht, und jetzt würde ich alles geben für fünf Minuten mit ihm. Ich habe geschworen, bei Stefan denselben Fehler nicht noch einmal zu machen. Er glaubt, er habe noch fünf Minuten zum Schaukeln gewonnen. In Wahrheit habe ich noch fünf Minuten bekommen, um meinem Sohn beim Spielen zuschauen zu dürfen."


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